Verrückte Denkmäler
Kolumne FRISCHE BRISE OSTWIND
von Kirstin Ihlow für den Heimatverein Calau e.V.
Gerade hatte ich herausgefunden, dass es in Calau 21 Baudenkmäler gibt. Zählt man alle Ortsteile mit dazu, sogar 46 laut Landesdenkmalliste. Das war eine Information, die ich gar nicht brauchte, denn ich suchte keine denkmalgeschützten Häuser und Werke, sondern Denkmäler, die an Personen und Ereignisse erinnern. Auf der Homepage der Stadt Calau fand ich eine Auflistung, die mir weiterhalf und dann wurde es verrückt, in mehrfacher Hinsicht.
Ich fing an mit der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus. Dieses Denkmal wurde inzwischen dreimal umgewidmet. 1928, 1948 und zuletzt 1989. Das Kreis-Krieger-Denkmal aus dem Jahre 1878 erinnert zwar immer noch an die Gefallenen der Feldzüge im damaligen Jahrhundert, hat dafür aber mehrfach seinen Platz gewechselt. Es steht jetzt vor dem Kreishaus, in der Nähe der Postsäule, die ja auch ihren Standort gewechselt hat.
Auch die kunstvoll geschaffene Bronzefigur des Schauspielers Joachim Gottschalk stand ursprünglich am Busbahnhof und wurde für einen Neubau 1994 verrückt. Sie steht jetzt in der nach ihm benannten Straße. Als ich die Inschrift daneben las, wurde mir schwer ums Herz. In diesem Moment wird mir die Bedeutung von Gedenkstätten wieder sehr bewusst und dass wir sie auch als Ermahnung brauchen.
Ein weiteres verrücktes Denkmal, nämlich das Sühnekreuz, konnte ich noch nicht wieder finden. Der ursprüngliche Standort befand sich viele Jahrhunderte außerhalb der Stadtmauer. Für den Bau des Kreishauses wurde es versetzt an den Inselteich. Den gibt es aber nicht mehr, dort steht jetzt die Sparkasse. Ich bekam einen Tipp, wohin es gewandert sein könnte. Bevor ich dem allerdings nachgehen konnte, erfuhr ich selbst einen verrückten Standortwechsel. Vom aufrechten Gang in die gestreckte Horizontale, wie ein Boxer nach dem K.O. Schlag. Ich habe es geschafft beim Zubettgehen, so ins Stolpern zu geraten, dass ich mit der Oberlippe frontal auf die Bettkante aufgeschlagen bin. Das ganze Geschehen nahm ich am Boden liegend zunächst mit einer gewissen ungläubigen Verwunderung wahr, bis das Blut aus dem Mund lief. Mein Mann leistete erste Hilfe. Natürlich hatte ich trotzdem am nächsten Tag eine Oberlippe, für die in Schauspielerkreisen viel Geld bezahlt wird. Alle Fältchen waren weg. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass ab einem gewissen Alter, der Charakter das Aussehen bestimmt und mein Mann machte mir ein sehr liebes Kompliment. Er meinte, er sei froh, wenn mein Gesicht wieder alle seine Fältchen zurückhätte, weil sie zu mir gehören. Die Fältchen sind wie kleine Denkmäler, sie erinnern uns an alles, was wir erlebt und erfahren haben. Gutes und Schwieriges und jeder hat andere, das macht jeden einzelnen Menschen so besonders. Das Sühnekreuz steht seit einigen Jahren in der Nähe des Osteingangs des Kreishauses. Dankenswerterweise hat mir ein lieber Mensch inzwischen einen Fotobeleg gesendet. Sobald ich kann, schaue ich mir das Kreuz aus der Nähe an.
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