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Herbstmelancholie in Saßleben

Kolumne FRISCHE BRISE OSTWIND 

von Kirstin Ihlow für den Heimatverein Calau e.V.

 

Auf der Suche nach ein wenig Mystik in Calau entdeckte ich ein Bild einer Sphinx, die in einem Park in Saßleben stehen sollte. Erstaunlich, mit ägyptischer Mythologie hatte ich nicht gerechnet. Der Park liegt ein wenig versteckt, aber es lohnt sich wirklich ihn zu suchen. 

Wir waren an einem Sonntagmorgen dort. Der Himmel war blau, die Sonne schickte die ersten Strahlen durch das bunte Herbstlaub der Bäume. Am Boden lag  schon ein Laubteppich in den herrlichsten Farben von zartgelben über orangebraune Töne bis hin zu kräftigem Rot.  Ein zarter Wind nahm einzelne Blätter mit, um das letzte durchschimmernde frische Grün der Wiese zu zudecken. Sie fielen sanft und leise zu Boden. Es war still. So zeigt sich Vergänglichkeit in ihrem schönsten Kleid.

Ernüchternd stellte ich fest, die Sphinx hat keinen mystischen Charakter. Sie ist einfach ein Teil eines Ensembles von Gartenkunst im neuägyptischen Stil. Mitte des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts war die Begeisterung für solche Stilelemente groß. Der Pavillons in der Parkanlage mit den vier Karyatiden soll die vier Jahreszeiten symbolisieren, zeigte mir die Homepage der Stadt Calau an. Karya – was? In meinem Gehirn wurde ich in der Abteilung Architektur nicht fündig. Womöglich hatte ich es  unter Allgemeinbildung abgelegt? Nein, auch nicht. Wie gut, dass man Wissen heute nicht nur im Hirn, sondern auch tragbar in der Tasche hat. Tante Google erklärte mir, eine Karyatide ist eine Skulptur, die eine Frau darstellt, die in der Architektur anstelle einer Säule verwendet wird. Das traf auf die vier vor mir stehenden Damen definitiv zu. Ich betrachtete sie genauer. Die erste Dame hatte nichts in den Händen, die zweite eine Weizengarbe, die dritte Früchte und die vierte Blumen. Irgendetwas passte für mich nicht. Ich sah sie mir von hinten an. Eine wie die andere hatte einen Dutt und kunstvolle Locken. Vier Jahreszeiten, aber die Frisur sitzt. Könnte glatt aus einer Haarspray Werbung stammen. Ich ging wieder nach vorn. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Jetzt sah ich, was mich störte. Die erste symbolisierte den Winter, die zweite den Herbst, die dritte den Sommer und die vierte Dame den Frühling. Wo gibt’s denn so was? War sich die Wissenschaft nicht einig darüber, dass erst etwas entstanden sein muss, ehe es vergeht? Wenn man schon nicht mit dem Frühling anfängt, sondern mit dem Winter, sollte dann nicht wenigstens die richtige Reihenfolge eingehalten werden? Wer kommt auf die Idee, auf den Winter den Herbst folgen zu lassen? Würde mich echt interessieren, ob das Absicht war oder sich irgendwer beim Aufstellen vertan hat. Aber vielleicht ist ja auch mein Wunsch nach etwas Mystik in Erfüllung gegangen und Saßleben entwickelt sich manchmal in einen mystischen Ort, jenseits der normalen Zeitabläufe. 

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Veröffentlichung

Sa, 02. November 2024

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